HISTORIE

„Seit Anfange des Monats bin ich nun in diesem zehnfach interessanten Lande, habe schon manchen Theil des Gebirgs und der Ebne durchstrichen und finde, daß es ein sonderbar schönes, sinnliches und begreifliches Ganze macht."


-Johann Wolfgang von Goethe über Schlesien-


 "Victoria Viribus" -" Sieg durch Stärke"  seit Jahrhunderten verbindet die Wappen-und Lebensdevise als generationsübergreifendes Band die Mitglieder der Familie Vorreiter miteinander.  Stärke bedeutet hier explizit, sich seines eigenes Verstandes und Urteils zu bedienen, daraus eine Meinung und Haltung zu bilden und diese auch dann zu Vertreten, wenn dies mit Nachteilen für einen selbst verbunden sein sollte. Hierraus resultiert nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern auch für die Pflege und Weitergabe von Traditonen und zeitlosen Werten wie Ehre, Anstand und Loyalität. Aus dieser Motiviation heraus ist diese Seite entstanden.

Geschichte


Die Familie Vorreiter stammt aus dem Dramatal bei Beuthen-Tarnowitz in Schlesien. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen über die Familie datieren laut den Kirchenbüchern spätestens um das  Jahr 1685. Die Wurzeln der Gutsherren-und Freibauernfamilie dürften  jedoch noch weiter in der Geschichte zurückgehen und ihren Ursprung in Deutschland haben. Möglicherweise zählten sie in der Vergangenheit zu den Schöffenbarfreien. Darauf lassen zumindest der in der unveränderte Form geführte Nachname deutscher Herkunft sowie der freie soziale Stand, in einem sonst von Leibeigenschaft und Hörigkeit geprägten Umfeld schließen und schlussendlich ihre ausgeübte Funktion als (Dorf-)Schöffen und (Dorf-)Schulzen. 


Mit der Ostbesiedlung im Mittelalter dürfte die Familie, aus Deutschland kommend, in Schlesien ihre neue Heimat gefunden haben. Als Stammvater der heutigen Linie gilt der in den Lubekern Kirchenbüchern um 1797 erwähnte Gutsbesitzer und Freibauer Michael Vorreiter. Es wird angenommen, dass die Familie Vorreiter zu den Gründern des Ortes Lubek  gehört habe. Der hier vorgestellte Familienzweig leitet seine direkte Abstammung aus den folgenden Familien ab: Wieczorek des Wappens Bozezdarz sowie der großbürgerlichen Kaufmannsfamilie Eisenecker, deren Abstammung auf einen schwedischen Offizier namens Emil von Eiseneck, der unter dem Schwedenkönig Karl XII. gedient hatte und deren Nachfahren sich in Schlesien niederließen, zurückgeht. Darüber hinaus  besteht eine Verschwägerung mit der schlesischen Adelsfamilie von Schweinichen. Auf die Familien Eisenecker und Wieczorek wird nochmals gesondert unter dem Link Genealogie eingangen werden.


Die Familie Vorreiter kann im Hinblick auf ihren freien sozialen Status rechtlich den Köllmern zugerechent werden, das und die Tatsache, dass die Familie selbst wohlhabend war und über Grundbesitz verfügte, erklärt ihre verwandschaftlichen Verhältnisse zum niederen Adel und Großbürgertum im 18. und 19. Jhd. Dennoch lässt sich das eigene Familienbewusstsein wie folgt treffend zusammenfassen:


"Mein alter Name berechtigt mich zu nichts, verpflichtet mich jedoch zur Leistung und Verantwortung".


Nachfolgend soll noch auf einzelne Begriffe wie Köllmer, ihre Anrede und den Stand der Schöffenbarfreien erklärend eingegangen werden.


Köllmer


Der Begriff „köllmisch“ bezieht sich auf die Stadt Kulm: Kulmische Handfeste heißt die 1233 erlassene Verfassung des Ordenslandes Preußen, durch die Rechte und Freiheiten der neuen Gemeinden gesichert wurden. Grundlage war das Magdeburgische Stadtrecht. Der Orden behielt die Monopole auf Salz, Gold, Silber, See, Bernstein, Jagd und Fischerei.Das kulmische Recht galt überall außer in großen Städten wie Elbing, Braunsberg, Frauenburg, Memel, wo lübisches Recht nach der Stadt Lübeck galt.


Siedler, die nach kulmischem Recht eingestuft wurden, hießen Köllmer oder Cölmer. Ihre Besitzungen wurden „köllmisch“ genannt. Aus den Köllmern ging später die Schicht der Gutsherren hervor. Das köllmische Recht war besser als das magdeburgische und gestattete die männliche und weibliche Erbfolge. Einheimische Prußen und zugewanderte Szameiten, Litauer und Polen wurden nach dem preußischen Recht eingestuft, dass nur die männliche Erbfolge zuließ. Diese wurden "Libertini" oder "Freibauern" genannt und kamen auch aus dem Kleinadel. Sie wurden später den Köllmern gleichgestellt. Ebenso gab es Mühlen und Dorfkrüge nach kulmischen Recht. Diese Müller und Krüger gehörten ebenfalls zu den Köllmern. In Kirchenbüchern und Urkunden werden die Kölmer und Freien mit der Titulatur "Honestus" bezeichnet.


Die Köllmer sind Siedler, die über ihren Besitz frei disponieren können. Neben gewöhnlichen Contributionen, leisteten sie gemäß ihren Verschreibungen auch einfache Ritterdienste. Sie gehörten nicht zu den Bauern, sondern waren Gutsbesitzer und bildeten eine Körperschaft mit der Ritterschaft und dem Adel. Ihre Losung lautete-"Niemands Herr und Niemands Knecht, das ist Kulmer Bauernrecht".


Freie Grundbesitzer, die der Orden zu Kölmischem (Kulmischem) Recht angesiedelt hat. Kölmisches Recht verpflichtet zum Reiterdienst bei Verteidigung des Landes, geringfügiger Abgabe an Geld, Wachs und Pfluggetreide; es gewährt große Freiheiten: Vererbung des Gutes an Söhne und Töchter. Verkauf mit Vorwissen des Ordens, Befreiung von allem Scharwerk, oft auch die Privilegien der Fischerei, mittleren und minderen Jagd, Brauerei und dgl. Große kölmische Güter, denen die volle Gerichtsbarkeit verliehen war, sind später Rittergüter geworden. In der Nachordenszeit und bis auf Friedrich d. Gr. entstehen neue K., denen statt des Kriegsdienstes ein Zins auferlegt wird. Das Landrecht von 1685 bewertet den kölmischen Besitz als volles Eigentum. So bilden die K. einen angesehenen Stand, weit über den Bauern stehend; sie sind auch in Landtagen vertreten. Oft heißen die K. die "Kölmischen Freien" im Gegensatz zu den Preußischen und Magdeburgischen Freien.


Die Anrede „Honestus“


Bedeutung: ehrenwert, oft in der Kombination "honestus juvenis", oder "honestus vir".


In Preußen Anrede der Schulzen (Sculteti), Kölmer (Köllmer) und Freien (Libertini), die Güter nach kulmischen und preußischen Recht besaßen. Die Freien gehörten zu den Vasallen und waren zum leichten Ritterdienst verpflichtet. Ihnen entsprechen vermutlich die schöffenbaren Freien im Heerschild. In polnischer Zeit zählten sie zur Ritterschaft und führten die für den Adel üblichen Bezeichnungen. Im Königreich Preussen gehörten sie nur zum Adel, wenn sie Dienstgüter besaßen. In anderen Ländern wurden sie auch Freibauern genannt. In England bildeten sie den untitulierten Landadel "Gentry", von denen sich die Bezeichnung "Gentleman" (liebenswürdiger Mann) ableitet, die im deutschen mit "Ehrenmann" übersetzt wird.


Schöffenbaren Freien


Im hohen Mittelalter ist schöffenbarfrei (scepenbar vri) eine Standesbezeichnung ähnlich wie semperfrei. Was damit gemeint ist, konnte nie restlos geklärt werden. Der Begriff spielt eine wichtige Rolle im Sachsenspiegel und taucht recht häufig in Urkunden des 12. und 13. Jahrhunderts in Nord- und Westdeutschland auf.


Die schöffenbarfreien Leute besetzen, wie ihr Name andeutet, die Schöffenbank im Gericht der Grafschaft (Die Schöffen sollen des Grafen Gericht alle achtzehn Wochen beiKönigsbann suchen, Ssp. Ldr. I/2), sodass die gesamte Rechtsprechung in den wichtigeren Fällen in der Hand dieses Standes liegt. Die Schöffenstühle wurden innerhalb bestimmter Familien vererbt (z. B. Ssp. Ldr. III/26,2), aber im Grunde nahm jeder schöffenbarfreie Mann an der Rechtsprechung des königlichen Gerichts teil, unabhängig davon, ob er einen Schöffenstuhl besaß oder nicht: Wer aber nicht zu den Bänken geboren ist, der soll den Stuhl erbitten mit Urteil, um ein anderes Urteil zu finden. So soll ihm jener den Stuhl räumen, der das erste Urteil fand (Ssp. Ldr. II/12,13). Aus dem Sachsenspiegel geht hervor, dass Schöffenbarfreie über jeden im Reich zu Gericht sitzen durften, aber nur von Ihresgleichen gerichtet werden durften. Bauern oder Bürger hatten also keine gerichtliche Macht über diesen Stand. Selbst Fürsten durften sich nicht anmaßen, über einen Schöffenbarfreien zu richten.


Die schöffenbarfreien Leute spielten im Übrigen die typische Rolle eines sehr auf Ebenbürtigkeit bedachten Adels – sie galten zweifellos als ritterbürtig –, dabei scheinen sie aber oft viel zahlreicher gewesen zu sein und in viel bescheideneren Verhältnissen gelebt zu haben, als man das vom Adel allgemein annimmt. Laut einiger Urkunden wohnten schöffenbarfreie Leute mitunter in größerer Zahl in ein und demselben Dorf oder zumindest in nahen Nachbardörfern. Darin hätten die Schöffenbarfreien allerdings dem niederen polnischen Adel, der Szlachta, geähnelt. Dessen Angehörige formierten teils eigene Adelsdörfer und betrieben Landwirtschaft.


Die schöffenbarfreien Leute stützten offensichtlich das System der (unmittelbaren) Königsherrschaft, das der Entstehung der Territorialfürstentümer ab dem 14. Jahrhundert voranging. Sie huldigten nur dem König. Mit der Entstehung der Länder und der Mediatisierung der Grafschaften gingen offenbar die schöffenbarfreien Leute in der Ministerialität der Landesherren auf. Zahlreiche Urkunden des 13./14. Jahrhunderts belegen die Übernahme der freien Leute ganzer Landstriche in die Ministerialität der aufkommenden Landesherren. Einige Rechtshistoriker wie Philipp Heck betrachten die Schöffenbarfreien jedoch als (nichtadlige) „Normalbürger“. Sie hätten keine Privilegien genossen, vielmehr seien „Nichtbürger“ unterprivilegiert gewesen. Demnach hätte ihre soziale Stellung derjenigen der Freien in der Antike geähnelt.


Diese Meinung widerspricht jedoch den Erläuterungen z. B. des Eicke von Repgow, der selbst schöffenbarfrei war und den Sachsenspiegel verfasste und die Stände dort definierte. So waren Schöffenbarfreie Mitglieder des 5. Heerschildes und konnten Lehen an Mitglieder des 6. Heerschildes vergeben – an Dienstmannen und Ministeriale. Somit scheint klar zu sein, dass die schöffenbaren zum untitulierten Adel gehör(t)en. Gut nachvollziehbar ist die Stellung der schöffenbarfreien in der Gesellschaft im Bereich Köln/Aachen, wo einige Familien (Rey, Zilliken, Borisch) jahrhundertelang die Schöffen stellten und auch Verwalter und Inhaber großer Ländereien und Rittergüter (Irreshain, Vettweiss, Köln, Ederen) waren. Viele der schöffenbaren waren durchaus begütert.


Sie waren häufig als sogenannte Halbwinner (wg. halber Gewinn!) auf großen Höfen ansässig und erhielten für ihre Verwaltertätigkeit auf diesen Höfen die Hälfte aller Erträge aus dem Landgut und das Landgut selbst als vererbbares Lehen. Viele Urkunden über diese schöffenbaren Familien finden sich u. a. im Familienarchiv der Familie Rey im Diakoniemuseum in Aachen. Das hochmittelalterliche Schöffengericht bei Königsbann lebte im späten Mittelalter in den bäuerlichen manchmal auch städtischen Femegerichten und Freigerichten fort.


Bildstock in Xiondslas- Broslawitz

gestiftet von einem Mitglied der Familie Vorreiter